Landesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam Leben – Gemeinsam Lernen NRW legt Gesetzentwurf für inklusives Schul- und Bildungssystem vor

  • Völkerrechtliche Verpflichtung für ein inklusives Schul- und Bildungssystem auf Landesebene umsetzen
  • Übergangsfristen
  • Klare Kritik an zögerlicher Haltung der Landesregierung

Bild 2 - Szene im Gemeinsamen Unterricht

Düsseldorf, 18. März 2013 - Die Landesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen Nordrhein-Westfalen e.V. (LAG) hat heute in Düsseldorf einen Gesetzentwurf für ein inklusives Schul- und Bildungssystem vorgestellt. Der Entwurf wurde gemeinsam mit der Kanzlei Latham & Watkins LLP erarbeitet.

„Wir zeigen mit diesem Gesetzentwurf, wie es möglich ist, die UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderung umzusetzen und ein inklusives Schul- und Bildungssystem zu entwickeln, das diesen Namen zu Recht trägt“, sagte Bernd Kochanek von der LAG in Düsseldorf vor Journalisten. Dies sei keine „Kür“, sondern eine Pflichtaufgabe des Landes, um die verbindlichen völkerrechtlichen Vorgaben in Nordrhein-Westfälisches Landesrecht umzusetzen. Das bisherige Parallelsystem von Förderschulen und allgeme inen Schulen sei weder sinnvoll noch weiter finanzierbar.

Der von der LAG vorgelegte Gesetzentwurf umfasst drei zentrale Punkte:

  • Die Verankerung des Grundsatzes inklusiver Bildung im gesamten Bildungswesen, d.h. angefangen in Kindertageseinrichtungen, über Schulen bis hin zu Institutionen lebenslangen Lernens.
  • Die Begründung eines einklagbaren Rechtsanspruchs für Kinder und Jugendliche mit Behinderung oder drohender Behinderung auf wohnortnahen inklusiven Unterricht in den allgemeinen Schulen beginnend ab dem Schuljahr 2014/2015.
  • Die detaillierte Beschreibung einer Übergangsphase für den bevorstehenden Transformationsprozess des Schulwesens.

Die Übergangsphase würde nach dem Gesetzentwurf folgendermaßen aussehen: Die bisherigen Förderschulen werden als Außenstellen in so genannte regionale Unterstützungszentren für inklusive Bildung, d.h. „Schulen ohne Schülerinnen und Schüler“, eingegliedert. Die bisherigen Förderschulen nehmen ab dem Schuljahr 2014/15 keine neuen Schülerinnen und Schüler mehr auf.

Die Lehrkräfte der bisherigen staatlichen Förderschulen mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache, emotionale und soziale Entwicklung sowie das weitere in diesen Förder- schwerpunkten eingesetzte Personal werden sukzessive an die Regelschulen versetzt. Dies soll dem Entwurf zufolge in dem Maße geschehen, in dem Klassen in den Außenstellen der regionalen Unterstützungszentren für inklusive Bildung entfallen. Die Lehrkräfte, die bislang in anderen Förderschwerpunkte eingesetzt waren, bleiben vorläufig den regionalen Unterstützungszentren für inklusive Bildung zugeordnet. Sie werden zielgerichtet dort eingesetzt, wo ein Kind mit einer selteneren Behinderung eine allgemeinen Schule besucht.

Kritik übte Bernd Kochanek auch am Verhalten der Nordrhein-Westfälischen Landesregierung. „Es gibt keinerlei Hinweise dafür, dass sich die Landesregierung konsequent von dem separierenden Schulsystem verabschieden will“, sagte er. Zur Zeit sei nicht geplant, auch nur eine einzige der jetzigen 662 Förderschulen (Zahlen gemäß Ministerium für Schule und Weiterbildung des Landes Nordrhein-Westfalen) abzuschaffen. In anderen Bundesländern hat man sich hingegen teilweise bereits auf den Weg zu einem inklusiven Schulsystem gemacht.

„Wenn wir beispielsweise allein die Förderschulen der drei genannten Förderschwerpunkte auflösen würden, könnten in Nordrhein-Westfalen rund 62.000 Kinder (Zahlen gemäß Kultusministerkonferenz) sofort im allgemeinen System, mit entsprechender individueller Unterstützung, lernen“, sagte Bernd Kochanek. Dies seien circa zwei Drittel aller Förderschülerinnen und Förderschüler mit Behinderung in Nordrhein-Westfalen. Das im Gesetzentwurf geplante Szenario sieht allerdings keinen harten Schnitt vor. „Wir wollen einen schrittweisen und behutsamen Übergang ermöglichen“, sagte Kochanek.

„Es geht nicht mehr um das Ob, sondern um das Wie“, sagte Dr. Jan Schubert, Rechtsanwalt der Wirtschaftskanzlei Latham & Watkins LLP. Die Landesregierung habe jetzt die Chance und gleichzeitig die Verpflichtung, eine entschlossene Vorreiterrolle bei der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention im Schulsystem zu übernehmen. „Menschen mit Behinderung gehören schon von Rechts wegen dazu. Überall und von Anfang an”, sagte Schubert.

Die Kanzlei berät Gemeinsam leben, Gemeinsam lernen bundesweit im Rahmen ihrer Pro Bono-Tätigkeit. Diese Tätigkeit besteht in der kostenlosen Beratung und Vertretung gemeinnütziger Organisationen, Nichtregierungsorganisationen, Stiftungen und bedürftiger Privatpersonen sowie dem Engagement zur Förderung und Verbreitung von Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten. Der komplette Gesetzentwurf sowie weiteres Informationsmaterial wie Fotos, Pressemitteilung etc. stehen ab heute 13:00 Uhr auf der Homepage der Landesarbeitsgemeinschaft: http://www.gemeinsam-leben-nrw.de/gesetzentwurf. Auf Wunsch stellt die LAG auch gedruckte Exemplare zur Verfügung.

Über die Landesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam leben, Gemeinsam lernen

Die Landesarbeitsgemeinschaft Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen NRW e.V. setzt sich für ein gemeinsames Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen mit und ohne Behinderung ein. Deshalb fordern wir die volle Umsetzung des Grundgesetzes und der UN-Behindertenrechtskonvention auch in Nordrhein-Westfalen. Es geht um die gemeinsame Erziehung und Unterrichtung im örtlichen Kindergarten, in der Grundschule, in der weiterführenden Schule, in der beruflichen Ausbildung und darüber hinaus um die gleichberechtigte Teilhabe am Arbeitsleben und um selbstbestimmte Wohnformen. Weitere Informationen unter: www.gemeinsam-leben-nrw.de

Pressekontakt: Bernd Kochanek, mobil: 0173 971 30 99, E-Mail: kochanekb@arcor.de

Über Latham & Watkins LLP

Latham & Watkins ist eine internationale Wirtschaftskanzlei mit mehr als 2.000 Anwältinnen und Anwälten und 31 Büros weltweit. In Deutschland ist die Kanzlei mit insgesamt 150 Anwältinnen und Anwälten in Frankfurt am Main, Hamburg und München vertreten. Im Rahmen ihrer Pro Bono-Aktivitäten berät die .Kanzlei die Bundesarbeitsgemeinschaft „Gemeinsam leben – gemeinsam lernen“ und unter anderem die Landesarbeitsgemeinschaft Nordrhein-Westfalen. Weitere Informationen über Latham & Watkins finden Sie unter www.lw.com.

Pressekontakt: Matthias Dezes, Tel: 069 / 6062 6520, E-Mail: matthias.dezes@lw.com