Elternverband befürchtet Rückschritte bei der Inklusion

LOGO LAGNRW

PRESSEMITTEILUNG

Düsseldorf, 29. Juni 2018.

Am 28. Juni 2018 stellte Schulministerin Yvonne Gebauer im “Fachbeirat inklusive schulischer Bildung” ihre Eckpunkte zur “Neuausrichtung der Inklusion” vor.
Der Fachbeirat ist ein Gremium des Inklusionsbeirates des Landes NRW, dem Vertreterinnen und -vertretern von Menschen mit Behinderung, Schulträgern, Lehrkräften und weiteren schulfachlichen Verbänden angehören. Er berät die Landesregierung beim Aufbau eines inklusiven Bildungssystems.

Für den Vorstand des Inklusionsfachverbandes Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen NRW (GLGL NRW) sind die vorgestellten Pläne Schritte in eine völlig falsche Richtung.
Enttäuscht stellte die stellv. Landesvorsitzende von GLGL NRW, Ingrid Gerber, während der Sitzung fest, dass das Schulministerium mehr Anstrengungen unternimmt, die Angebote an Sonderschulplätzen in der Fläche auszuweiten, als die Möglichkeiten für Schulen inklusiv zu unterrichten zu stützen und zu verbessern. “Auch wenn die Informationen unvollständig waren und noch nicht in schriftlicher Form vorlagen, wurde bereits deutlich, dass an vielen Stellen mit erheblichen Rückschritten bei der Entwicklung der Inklusion zu rechnen ist.”, kritisiert Ingrid Gerber.
Zwar betonte die Ministerin mehrfach, dass sie hinter der Inklusion stehe. Sie stellte allerdings zugleich klar, dass dies nicht bedeute, dass Förderschulen nach und nach auslaufen müssten. Vielmehr plane sie weiterhin eine flächendeckende Bereitstellung von Förderschulen, um Eltern ein Wahlrecht zu geben.
Zu der Frage, wie viele Schulen des Gemeinsamen Lernens es in Zukunft noch geben wird, konnte Ministerin Gebauer in der Sitzung keine genaue Auskunft geben. Sie machte aber deutlich, dass nicht alle Schulen, die bisher Kinder mit Förderbedarf unterrichten, weiterhin Schulen des Gemeinsamen Lernens bleiben werden, sondern dass eine Bündelung der Ressourcen geplant sei. In Kürze werde sie alle bisherigen „Schulen des Gemeinsamen Lernens“ mittels „Qualitätskriterien“ überprüfen zu lassen.
Für Bernd Kochanek, Landesvorsitzender von GLGL NRW, eine Strategie, um unter dem Deckmantel scheinbarer Qualitätsverbesserungen die Zahl der Schulen, an denen Gemeinsames Lernen heute schon stattfindet, wieder auf regional wenige Schwerpunktschulen zurückzufahren.
Das Gymnasium werde – so Kochanek – von der Pflicht zur inklusiven Bildung ganz entbunden, da diese unvereinbar mit seinem speziellen Bildungsauftrag sei.

Auf Nachfrage konnte die Ministerin weder sagen, welche zumutbaren Wege Kinder und Jugendliche mit sonderpädagogischem Förderbedarf zukünftig in Kauf nehmen müssen, noch ob und in welchem Umfang hierfür Unterstützungsleistungen für den Transport geschaffen werden sollen. Diese Details würden sich nach Aussage der Ministerin erst im Prozess ergeben.

“Genau hier liegen allerdings die Probleme für Eltern von Kindern mit Behinderungen”, sagt Michael Baumeister vom Vorstand von GLGL NRW. “Wenn durch die Bündelung sonderpädagogischer Ressourcen demnächst insgesamt weniger Schulen des Gemeinsamen Lernens zur Verfügung stehen, wird dies zwangsläufig in vielen Fällen zu längeren Schulwegen führen.”

“Wenn die Ministerin diese Fragen ungeklärt lässt, so führt sie ihren eigenen Anspruch auf ein Wahlrecht der Eltern ad absurdum,” sagt Michael Baumeister.

Melden Eltern ihr behindertes Kind an einer Förderschule an, so wird es in der Regel morgens mit dem Bus abgeholt und abends zurückgebracht. Wird ein Kind inklusiv beschult, erhalten die Eltern in den meisten Fällen lediglich einen geringfügigen Betrag für die Benutzung des öffentlichen Nahverkehrs für die einfache Strecke. Kann das Kind den Schulweg allerdings nicht allein bewältigen, müssen die Eltern inklusiv beschulter Kinder oft selbst für den Transport zu sorgen.

“Häufig entscheiden sich Eltern in dieser Situation dann doch für die Förderschule. Von einem Wahlrecht kann in solch einem Fall wohl nicht die Rede sein”, kritisiert Michael Baumeister.

Skeptisch beurteilt der Vorstand von GLGL Pläne, in Regionen in denen es weder ein Angebot an Förderschulen noch ein Angebot des Gemeinsamem Lernens gibt, Förderschulgruppen an allgemeinen Schulen einzurichten. “Viel wichtiger als solche pädagogisch höchst fragwürdigen Gruppen wäre es, das Netz an inklusiven Angeboten flächendeckend auszubauen”, bemängelt Ingrid Gerber und stellt fest, dass die Idee doch sehr stark an das Modell der Außenklassen in Bayern erinnern. “Ein solches Konzept halten wir für antiquiert und mit den Vorstellungen der UN BRK nicht zu vereinbaren”.

Ihre Ansprechpartner:
Bernd Kochanek, 0173 9713099‬
Michael Baumeister, 0172 3596399‬
Ingrid Gerber, 0177 6139530
vorstand@gemeinsam-leben-nrw.de

http://www.gemeinsam-leben-nrw.de/
https://www.facebook.com/DerInklusionsfachverband/ Gemeinsam Leben, Gemeinsam Lernen NRW e.V

Weitere Infos zum letzte Woche vorgestellten breiten Bündnis inklusive Bildung NRW finden Sie hier:
http://www.gemeinsam-leben-nrw.de/content/breites-buendnis-fuer-inklusiv...